Dr. Franka Christen ist Schulleiterin der Gesamtschule Hardt in Mönchengladbach. Ihr Ziel ist es, dass die Schule ein Schutzraum ist, in dem ein angenehmes Miteinander die Basis für gemeinsames Lernen und Arbeiten ist.
Frau Christen, als Schulleiterin legen Sie großen Wert auf ein respektvolles und tolerantes Miteinander an Ihrer Schule. Nun liest man immer häufiger von Gewalt an Schulen. Ist das auch an Ihrer Schule ein Thema?
Ja, selbstverständlich. Eine gänzlich gewaltfreie Schule gibt es nicht. Und Schule ist auch ein Ort, in dem sich junge Heranwachsende ausprobieren. Da passieren Übergriffe vielfältiger Art, sei es verbal, körperlich, sexualisiert. Das ist nicht schön, aber es passiert. Umso wichtiger ist es, sich darüber im Klaren zu sein und handlungsfähig zu sein und zu bleiben.
Was ist dafür nötig?
Wir brauchen vielfältige Strategien, diesen Übergriffen konsequent zu begegnen. In der Schule haben wir ein Präventions- und Beratungsteam, zusammengesetzt aus Lehrpersonen, Beratungslehrerinnen und Beratungslehrern, Schulsozialarbeit, Sonderpädagoginnen, Sonderpädagogen und Schulleitungsmitgliedern. In akuten Krisensituationen kommt dieses Team zusammen, hilft und berät sich, indem sie alle weiteren Schritte gemeinsam absprechen. Dafür gibt es auch den sogenannten Notfallordner und das Handbuch für Krisenprävention.
Wie gehen Sie mit Gewalt um?
Jegliche Art von Gewalt muss eine Konsequenz erfahren und zeitgleich muss es ein Angebot der Wiedergutmachung geben. Schülerinnen und Schüler dürfen Fehler machen, um es in der Folge besser zu machen. Das ist ein Lernprozess. Dafür ist die Entwicklung einer präventionssensiblen Schulkultur mit einer positiven Haltung, guten Beziehungen, Vertrauen und gewaltpräventiven Maßnahmen unabdingbar. Das geht nur gemeinsam und systemisch. Prävention muss im Alltag verankert sein. Vom ersten Tag an bis zum Abschluss. Unsere Kinder und Jugendlichen brauchen Selbstwirksamkeitserfahrungen und stabile Beziehungen. Sie brauchen in der Schule den nötigen Raum, um positive Erfahrungen im Umgang mit Gewalt zu machen. Sie brauchen Pädagoginnen und Pädagogen, Schulsozialarbeiterinnen und Schulsozialarbeiter, die sie auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden eng begleiten und unterstützen. Sie müssen sich sicher, wertgeschätzt und eingebunden fühlen. Schule muss ein Schutzraum für unsere Kinder sein. Sie haben ein Recht darauf, angstfrei zur Schule zu gehen.
Was kann denn die Schule tun? Haben Sie ein Geheimrezept?
Als Schulleiterin muss ich diese wertschätzende, positive Haltung vorleben und mit der Schulgemeinde immer wieder daran arbeiten und sich darüber verständigen. Schülerinnen und Schüler brauchen vertrauensvolle, stabile Beziehungen und soziale Unterstützung. Gewaltprävention gelingt nur systemisch. Wir brauchen eine Schulkultur, in der sich alle geschützt, wohl, wertgeschätzt und eingebunden fühlen. Das ist eine immerwährende Aufgabe, die man immer wieder überarbeiten und nachsteuern muss.
Wo finden Sie Unterstützung?
Ein tolles Programm ist MindMatters. Gesundheitsfördernde Schul- und Tagesstrukturen sind wichtig für eine gelingende Prävention und ein gutes Schulklima. Gute Beziehungen wirken als Glücksquelle und Puffer gegen Stress und stehen in signifikantem Zusammenhang mit Motivation, Engagement und Leistung. Beziehungsstörungen in Schule und Unterricht hingegen haben negative Folgen für alle. Ebenso sind Programme wie die Streitschlichter, Medienscouts, Buddys, Schule der Vielfalt, Demokratiebildung und viele mehr sehr wichtig. Dadurch erfahren Jugendliche Selbstwirksamkeit, Wertschätzung und sind eingebunden.
Wünschen Sie sich mehr Unterstützung?
Ich wünsche mir mehr Geld für gute Fortbildungen und externe Unterstützung für mein gesamtes Team. Ebenso bräuchten wir Geld für unsere Schülerinnen und Schüler, um Programme wiederkehrend zu finanzieren. Nach Corona haben wir über zwei Jahre viel extra Geld bekommen. Das war so toll und hat so viel Gutes gebracht. Das sollte immer so sein. Und unsere Schulen müssen zu Wohlfühlorten werden, insbesondere auch durch schöne Gebäude und Räume!
MindMatters: Das Programm unterstützt Sekundar-, Primar- und berufsbildende Schulen auf dem Weg zur guten gesunden Schule. Notfallpläne – Leitlinien der Bundesländer: Das Magazin für Sicherheit und Gesundheit in der Schule "pluspunkt" bietet eine Übersicht zu den verfügbaren Leitlinien (oft als „Notfallordner“ bezeichnet) je nach Bundesland. |
#GewaltAngehen ist eine Kampagne der Berufsgenossenschaften, Unfallkassen und ihres Spitzenverbandes, der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV). Sie widmet sich dem Thema Gewalt bei der Arbeit und in der Bildung.
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