DGUV Kompakt sprach mit Stephan Köhler, Experte für Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), über Herausforderungen bei der interkulturellen Zusammenarbeit am Beispiel der Pflegebranche.
Herr Köhler, das Institut der deutschen Wirtschaft prognostiziert bis 2035 einen Mangel von rund 307.000 Pflegekräften. Wie sehen Sie die aktuelle Situation?
Die Prognose verdeutlicht einen ernstzunehmenden Engpass in der Pflegebranche. Wir sehen einen steigenden Bedarf an Pflegekräften bei gleichzeitigem Fachkräftemangel. Das erfordert innovative Ansätze, um internationale Fachkräfte zu gewinnen und zu integrieren.
Welche Herausforderungen sehen Sie bei der Integration?
Interkulturelles Arbeiten bringt verschiedene Herausforderungen mit sich, insbesondere im Bereich Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz. Nehmen wir an, es arbeiten in einem Pflegeteam Fachkräfte aus verschiedenen Ländern. Aufgrund kultureller Unterschiede in der Risikowahrnehmung haben möglicherweise nicht alle Teammitglieder die gleiche Einschätzung bezüglich bestimmter Aufgaben und Risiken. Dies könnte zu Missverständnissen führen und im schlimmsten Fall zu unsicheren Arbeitspraktiken. Zudem treffen ausländische Fachkräfte oft auf angespannte Arbeitssituationen, bedingt durch Zeitmangel. Da kommt die Einarbeitung oft zu kurz. Gleichzeitig warten sie meistens auf den Abschluss ihres Anerkennungsverfahrens. In der Pflege bedeutet das, sie werden als Pflegehelferinnen und Pflegehelfer eingesetzt – für Tätigkeiten deutlich unter ihrer Qualifikation. Das kann auf Dauer zu Unzufriedenheit führen.
Wie können Unternehmen und Führungskräfte dem entgegenwirken?
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, was die Integration erschwert. Zudem müssen Unternehmen Strukturen schaffen, um neuen Teammitgliedern, besonders wenn sie aus dem Ausland kommen, eine angemessene Einarbeitungszeit zu ermöglichen. Unternehmen sollten die Mitarbeitenden bei den Anerkennungsverfahren unterstützen. Ergänzend dazu ist es ratsam, ein Training zu durchlaufen, welches für Kulturunterschiede im Kontext der Arbeit sensibilisiert.
Welche Rolle spielt die Sprache in diesem Prozess?
Kommunikation ist grundlegend. Sprachliche Barrieren können zu Belastungen führen, sowohl im Umgang mit Patienten und Patientinnen als auch im Team. Angebote, die helfen die Sprache schneller zu lernen und klare Richtlinien für die Kommunikation im Team sind wichtige Maßnahmen, um Konfliktpotenziale zu reduzieren. Hilfreich ist auch, wenn die Personen, die andere einarbeiten sich bemühen, eine einfache Sprache zu benutzen, Informationen zu wiederholen und nachzufragen, ob alles verstanden wurde.
Das Training „Interkulturelles Team – Pflege“ der BGW zielt darauf ab, kultursensiblen Umgang zu fördern. An wen richtet sich das Programm und was kann man sich darunter vorstellen?
Das Training richtet sich an Einrichtungen in der stationären Krankenpflege sowie der Altenpflege, die gezielt (Pflege-)Fachkräfte im Ausland anwerben und langfristig integrieren wollen. Es beinhaltet ein Vorgespräch mit der Leitung und eine optionale Unterstützung beim Transfer der Trainingsinhalte – auf Wunsch bis hin zu einem umfassenden Integrationskonzept. In drei Modulen sensibilisieren wir Führungskräfte, neue Pflegekräfte und Multiplikatoren dafür, was kultursensibles Arbeiten bedeutet – also welche Auswirkungen kulturelle Unterschiede auf die Arbeit speziell auch auf den Arbeitsschutz haben können und welche Strukturen und Regeln für einen guten Umgang in den Teams förderlich sind.
Welche Maßnahmen setzen die teilnehmenden Unternehmen um?
Beispielsweise ein systematisches Einarbeitungskonzept mit einem Mentoring, für das zeitliche und personelle Ressourcen bereitgestellt werden oder Sprachkurse, die auch die medizinische Fachsprache vermitteln. Einrichtungen, die ein besonderes Engagement zeigen, können von der BGW eine Auszeichnung als integrationsfreundlicher Betrieb und eine finanzielle Förderung erhalten.
Was neuen Mitarbeitenden hilft: |
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Wer ausländische Mitarbeitende integrieren möchte, muss sich gut vorbereiten und strategisch vorgehen. Wie? Darum geht es in der Folge 7 "Interkulturelle Zusammenarbeit in der Pflege".