Interview mit Rinke Pahl

Rinke Pahl leitet im Städtischen Krankenhaus Kiel GmbH das Betriebliche Gesundheitsmanagement und die Betriebliche Wiedereingliederung.

Frau Pahl, das Städtische Krankenhaus Kiel hat u.a. in Kooperation mit der Kampagne #GewaltAngehen der gesetzlichen Unfallversicherung im Juli 2025 ein Projekt gegen Gewalt gestartet und wirbt damit für einen respektvollen Umgang zwischen Patientinnen und Patienten, Besuchern und Besucherinnen und den Mitarbeitenden der Klinik. Wie entstand diese Idee und welche Maßnahmen gibt es?

Die zunehmende Gewaltbereitschaft in der Gesellschaft geht auch am „Städtischen“ nicht spurlos vorbei. Aufgrund zunehmender Meldungen von Gewalt bei Befragungen haben wir uns entschieden, in Kooperation mit der gesetzlichen Unfallversicherung das Projekt #GewaltAngehen in individualisierter Form im Städtischen Krankenhaus umzusetzen. Konkret beobachten wir eine Zunahme von Meldungen bei den Ergebnissen der psychischen Gefährdungsbeurteilungen, bei den Gefährdungsanzeigen und in persönlichen Gesprächen, die auf diese Problematik hinweisen. Wir beschäftigen uns deshalb gerade intensiv mit dem Thema Gewaltprävention und werden dabei von der Techniker Krankenkasse unterstützt. Mit dieser Kampagne wollen wir nach innen und außen deutlich machen, dass es im „Städtischen“ Nulltoleranz für Gewalt gibt. Das beginnt bei Beleidigungen, Belästigungen und Bedrohungen der Beschäftigten und schließt erst recht Nötigung und körperliche Angriffe ein. Unser Ziel ist es, ein wertschätzendes Arbeitsumfeld für alle Beschäftigten zu schaffen, unabhängig von Tätigkeit, Alter, ethnischer Herkunft, Nationalität, Geschlecht und anderen Merkmalen. Gewalt - in jeglicher Form – ist für das Städtische Krankenhaus inakzeptabel.

Aktuell ermitteln wir mittels Befragungen die Gewaltpotentiale in den einzelnen Bereichen. Es werden Handlungsleitlinien erarbeitet. Dazu gehören auch eine einheitliche digitale Dokumentation, ein Nachsorgekonzept und spezielle Deeskalationstrainings für Krankenhäuser nach ProDeMa* für alle Mitarbeiter*innen. Es gibt ein Deeskalationstrainer*innen –Team, das kontinuierlich erweitert wird. Im Austausch mit der Unfallkasse Nord sind wir auf die die Kampagne #GewaltAngehen der DGUV aufmerksam geworden und haben Plakate bestellt. Es entstand die Idee eigene Botschafter für diese Aktion zu gewinnen. In einer Blitzaktion haben wir es mit Rückendeckung der Geschäftsführung, maßgeblicher Unterstützung der Unternehmenskommunikation und finanzieller Unterstützung der Techniker Krankenkasse sowie in Abstimmung mit der DGUV geschafft, „eigene Botschafter*innen“ aus unserem Haus zu gewinnen und Plakate zu entwerfen. Damit sind wir Vorreiter und die erste Klinik bundesweit, die die Kampagne #GewaltAngehen in personalisierter Form umgesetzt hat.

Wie kam die Projektidee bei den Mitarbeitenden an? Haben sich viele gemeldet, um mit Plakaten und persönlichem Foto und Statement für ein besseres Miteinander zu werben?

Wir haben die Projektidee zunächst in den Führungskreisen, wie den Abteilungsleiter*innen, den Pflegedienstleiter*innen und den Chefärzt*innen vorgestellt. Viele waren schnell begeistert und haben die Idee in die Teams getragen, bzw. sich auch selbst als Botschafter gemeldet. Auch bei den Mitarbeitenden kam das Konzept sehr gut an. Die Bereitschaft quer durch alle Berufsgruppen war groß, sich mit O-Tönen an der Plakatkampagne zu beteiligen. 35 Plakate konnten auf unserem Gesundheitstag präsentiert werden und hängen seit Anfang Juli an zentralen „Patientenknotenpunkten“. Dabei haben wir mal wieder bemerkt, wie groß unsere Klinik ist, die Plakate waren schnell verteilt. Wir werden noch welche nachordern.

Warum ist es aus Ihrer Sicht notwendig auch kommunikative Maßnahmen gegen Gewalt zu ergreifen? Was sind Ihrer Meinung nach die Ursachen für Aggressionen?

Deeskalierende Kommunikation ist das A und O. Unsere Trainer*innen werden bei ProDeMa ausgebildet; hier hat uns das Konzept besonders gut gefallen. In unseren Schulungen für die Mitarbeiter*innen wird es schwerpunktmäßig darum gehen gewaltauslösende Reize und die Ursachen für Aggressionen zu identifizieren. Das können z.B. Ängste sein, Schmerz, Frust, vermeintlich lange Wartezeiten, bzw. das Gefühl von „Bevorzugung“ anderer Patienten. Letzteres betrifft vor allem die Notaufnahme. Häufig fehlt Patientinnen und Patienten sowie Angehörigen das Verständnis für Abläufe. Leider spielen zunehmender Egoismus, mangelnder Respekt und geringere Bereitschaft zur Rücksichtnahme in unserer Gesellschaft eine immer größere Rolle als Ursache für Aggressionen.

Werden alle Gewaltvorfälle erfasst und ggf. auch zur Anzeige gebracht?

Wir erarbeiten gerade eine einheitliche digitale Dokumentation, sodass Gewaltvorfälle jeglicher Art zentral betrachtet werden können. Gewaltvorfälle werden auch zur Anzeige gebracht, je nach Art des Vorfalles. Auch hierzu werden gerade die bestehenden Vereinbarungen überprüft und an einer einheitlichen Handlungsleitlinie bei Gewaltvorfällen gearbeitet.

Wie sind die ersten Reaktionen auf die Plakate? Erhalten Sie schon Rückmeldungen von Patienten und Gästen?

Die Plakate hängen erst seit 2 Wochen, die Rückmeldungen sind durchweg positiv. Es ist zu beobachten, dass auch Besucher*innen und Patient*innen des SKK’s interessiert die Plakate betrachten. Immer, wenn sich die Fahrstuhltür öffnet, oder man einen Wartebereich betritt, sind neue Plakate zu entdecken.

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